23.05.2017
Kampf den Keimen: Der Erfolg liegt auf der Hand (Folge 4 der #startupstories)
In unserer Serie #startupstories stellen wir Gründungsprojekte aus dem neudeli Fellowship vor – ein Förderprogramm der Bauhaus-Universität Weimar, das wir seit 2015 unterstützen.
Das Problem sind nicht die Keime. Das Problem ist die Händehygiene. Im Krankenhausalltag kann die zu kurz kommen – mit schwerwiegenden Folgen. Die Kommunikationsdesigner Robert Hellmundt und Alexander Döpel, neudeli Fellows der ersten Stunde, haben für dieses Problem eine erstaunlich einfache und einleuchtende Lösung gefunden: ein kurzzeitig färbendes Desinfektionsmittel.Das könnte zum Standard im Kampf gegen Krankenhauskeime werden. Was dahinter steckt – oder vielmehr darin – erzählt Robert Hellmundt im Interview.
Wir trafen Robert Hellmundt in einem kleinen Café in Jena, um mit ihm über sein Start-up-Projekt Heyfair zu sprechen.
Wer seid ihr und was macht ihr?
Robert Hellmundt: Wir arbeiten an neuen Hygienelösungen für professionelle Arbeitsbereiche. Infektionen im Krankenhaus oder auch Kontaminationen in der Lebensmittelproduktion haben für die Betroffenen häufig folgenschwere Konsequenzen. Die regelmäßige Händedesinfektion ist die effektivste Einzelmaßnahme um dem vorzubeugen. Bisher gibt es im Bereich der Händehygiene jedoch selbst bei geschultem Personal gravierende Anwendungsprobleme. Unsere Erfindung, ein temporär sichtbares Händedesinfektionsmittel, unterstützt die Anwender bei der korrekten Durchführung der Desinfektion. Dadurch wird es möglich, auf einfache Art und Weise sehr hohe Hygienestandards zu etablieren.
Unser interdisziplinäres Gründerteam besteht derzeit aus fünf Personen. Fabien Bustaus, Robert Nißler und Holger Wondraczek sind als Chemiker für die technologische Entwicklung verantwortlich, Alexander Döpel arbeitet gemeinsam mit mir am gesamten Marketing. Ich bin außerdem als Geschäftsführer und Leiter der Produktentwicklung eingesetzt. Zum Erreichen der Produktionsreife wird letztere Position aber zukünftig Holger Wondraczek übernehmen. Er hat selbst bereits erfolgreich gegründet und kennt sich aus im Aufbau von Produktionslinien, im Qualitätsmanagement und Zulassungsverfahren.
Was ist die Idee?
Robert Hellmundt: Es gibt bei Desinfektionsmitteln zwei grundlegende Probleme. Das eine ist die Gründlichkeit. In gut 50 Prozent der Fälle macht auch geschultes Personal Fehler bei der Anwendung; es treten zum Beispiel Benetzungslücken auf. Vor allem an den Fingerspitzen kommt das häufig vor. Das zweite Problem ist, dass immer noch zu wenig desinfiziert wird. Das liegt oft an einem verhaltenspsychologisches Problem: Anders als beim Waschen schmutziger Hände sieht man den Erfolg bei der Verwendung herkömmlicher Desinfektionsmittel nicht. Das schadet der Motivation und darunter leidet schließlich die Akzeptanz. So bleiben riesige Präventionspotentiale ungenutzt: Im Krankenhaus haben wir deutschlandweit jährlich mindestens 500.000 Infektionen; tausende davon enden tödlich. Viele dieser Fälle wären durch bessere Händehygiene vermeidbar.
Zur Lösung der Probleme bei der Händedesinfektion haben wir ein temporär sichtbares Desinfektionsmittel erfunden. Dieses färbt die Haut sehr deutlich ein. Man sieht sofort, ob das Mittel gründlich verteilt wurde. Nach spätestens drei Minuten ist die Färbung dann wieder verschwunden. Der Infektionsschutz wird somit sichtbar. Das ist gut für die Motivation; der Anwender sieht den Erfolg seiner Bemühungen sofort. Außerdem erkennt man deutlich, wann die Hände nicht mehr steril sind: Nämlich dann, wenn die Hände nicht mehr gefärbt sind.
Ob sich jemand desinfiziert hat, ist mit unserem Produkt außerdem auch für Außenstehende sichtbar. Dadurch wird die Händedesinfektion regelmäßiger und gewissenhafter durchgeführt. Schließlich möchte niemand durch das Versäumen der Hygienemaßnahmen auffallen.
Alles in allem sorgt unser Produkt für gründlichere und regelmäßigere Händehygiene. Das sollte die Keime da draußen in Angst und Schrecken versetzen. (lacht)
Die Mission der Gründer: "Kampf den Keimen!"
Wie kamt ihr darauf, euch mit Desinfektionsmitteln zu beschäftigen?
Robert Hellmundt: Klassischerweise ersinnen Kommunikationsdesigner Werbemaßnahmen, also z.B. Plakate und Werbespots für verschiedenste Unternehmen. Alex und mir war aber schon im Studium klar, dass klassische Werbung an Bedeutung verliert. Die Konsumenten glauben der Werbung nicht mehr und schenken ihr nur wenig Beachtung. Wir haben uns viel damit beschäftigt, wie man die Kunden noch erreichen kann. Unserer Erfahrung nach klappt das am besten, wenn ein Unternehmen der Zielgruppe hilft, ein für sie relevantes Problem zu lösen. Frei nach dem Motto: Tue Gutes und rede darüber.
Alex hat das richtig verinnerlicht und stets und ständig nach Problemen und cleveren Lösungen gesucht. Vor etwa drei Jahren hatte er die Idee des eingefärbten Desinfektionsmittels. Er wollte anfangs ein Award-Projekt für eine große Werbeagentur daraus machen. Am Ende aber haben wir uns entschieden, das selbst aufzuziehen. Blauäugig wie wir damals waren… zum Glück. (lacht)
Wir haben dann über ein Jahr lang nebenbei sehr viel an diesem Projekt gearbeitet. Wir fingen praktisch von null an. Zuerst haben wir unglaublich viel gelesen und recherchiert, um das Problem genau zu verstehen und herauszufinden, wie bisher damit umgegangen wird und welche Lösungen es bereits gibt. Als uns klar wurde, wie überlegen unsere Lösung war, haben wir uns richtig reingehängt.
Wem habt ihr zuerst von der Idee erzählt?
Robert Hellmundt: Wir haben das am Anfang nur im privaten Umfeld erzählt. Das war ein schleichender Prozess, schließlich wussten wir nicht, ob sich überhaupt etwas daraus machen lässt. Es kommt ja keiner und sagt: „Das ist ein Milliarden-Euro-Projekt“. Erst als wir gesehen haben, dass unsere Erfindung wirklich sinnvoll ist und viele aktuelle Probleme lösen kann, sind wir gezielt auf potenzielle Mitstreiter und Investoren zugegangen.
Was waren bisher die größten Hürden bei der Umsetzung?
Robert Hellmundt: Es gab viele Herausforderungen, die wir bewältigen mussten. Das muss man ganz klar sagen. Wir starteten mit einer ziemlich guten Idee und unser Hintergrund als Kommunikationsexperten half uns diese richtig bewerten und positionieren zu können. Aber danach ging es darum, eine sehr komplexe chemische Entwicklung durchzuführen und ein Unternehmen aufzubauen. Also nichts, dass Alex und ich in dieser Form bereits getan hätten. Die erste Herausforderung war sicherlich die Patentanmeldung – so etwas haben wir beide noch nie formuliert. Wir hatten Glück, dass wir durch das neudeli Fellowship Unterstützung durch einen erfahrenen Patentanwalt bekommen haben. Das war extrem wertvoll für uns.
Eine weitere Hürde ist die Finanzierung. Am Anfang waren wir zu zweit; beide Kommunikationsdesigner. Uns war klar, dass wir unbedingt technische Kompetenz im Team brauchen. Man kann sich nicht mit einem möglichen Geldgeber zusammensetzen und sagen: „Es gibt zwar noch keinen Prototypen, aber das bekommen wir schon irgendwie entwickelt“. Nicht, dass wir es nicht versucht hätten. (lacht) Es stand dann recht schnell der Entschluss , uns für das EXIST-Gründerstipendium zu bewerben und das Team um talentierte Chemiker zu erweitern.
Als das klappte, war es unser Ziel, innerhalb von einem Jahr das Produkt zu entwickeln. Das war bislang auch die größte Hürde. Die wurde noch erschwert, da wir nur wenige finanzielle Mittel zur Verfügung hatten. Es war sehr oft Erfindungsreichtum gefragt; unser gesamtes Labor ist mehr oder weniger ein Provisorium.
Die Aufgabe irgendeinen Farbstoff zu entfärben ist nicht allzu kompliziert. Zumindest hatten wir recht schnell einige funktionierende Ansätze. Aber es dauerte lange, eine Lösung zu finden, die den vielen Anforderungen gerecht wurde. Das Ganze musste in einem Desinfektionsmittel für den menschlichen Gebrauch funktionieren, das außerdem nicht viel kosten sollte. Deshalb gab es viele Rückschläge und es war eine ziemlich nervenaufreibende Zeit. Aber im Februar hat es dann doch geklappt. Wir waren alle zunächst etwas ungläubig, aber als wir merkten, dass es tatsächlich funktioniert, haben wir den „In-Case-Of-Success“-Sekt geöffnet. (lacht)
Dr. Holger Wondraczek ist als neuer Entwicklungsleiter für die Entwicklung des Farbstoffs und des Desinfektionsmittels verantwortlich. Er hat bereits erfolgreich gegründet und besitzt Erfahrung im Aufbau von Produktionslinien und Qualitätsmanagement.
Welche Unterstützung habt ihr euch bisher geholt?
Robert Hellmundt: Das neudeli Fellowship hat uns den Start sehr erleichtert und war eine gute Vorbereitung für das EXIST-Gründerstipendium, das seit 1. Juni 2016 läuft. Durch das Fellowship erhielten wir nicht nur ein kleines Preisgeld und die Patentanmeldung, sondern auch ein Wirtschaftscoaching durch Ernst & Young. Dieses Mentoring war äußerst wertvoll für uns, da wir so relativ schnell lernen konnten, worauf es ankommt. Das alles war eine tolle Bestätigung und hat uns trotz der vielen Achtzig-Stunden-Wochen motiviert, am Ball zu bleiben.
Weiterhin hatten wir eine erste kleine Finanzierungsrunde mit privaten Investoren, um eine Machbarkeitsstudie zu finanzieren. Diese mussten wir durchführen, um uns überhaupt für das EXIST bewerben zu können. Die Investoren kamen aus dem Familien- und Bekanntenkreis. Wir haben aber auch bei Business-Angel-Treffen gepitcht. Einen unserer wichtigsten Investoren lernten wir durch persönliche Kontakte kennen. Er hat zu einem sehr frühen Zeitpunkt investiert und ist unglaublich gut vernetzt. Das ist natürlich ein Türöffner für uns.
Was hat euch bewogen, euch für das neudeli Fellowship zu bewerben?
Robert Hellmundt: Das Interesse zu gründen war schon vor dem Desinfektionsmittel da. Es ist ja Verschwendung die ganzen tollen Ideen für Wettbewerbe an irgendwelche Firmen zu verschenken. (lacht) Wir hatten deshalb schon im Vorfeld Kontakt zur Gründerwerkstatt neudeli und wurden so auf das Fellowship aufmerksam. Das kam auch genau zur richtigen Zeit: Bis zu 10.000 Euro Budget und eine Patentanmeldung sind für ein Gründungsprojekt in einer so frühen Phase extrem hilfreich. Deshalb haben wir uns beworben.
Wie sehen eure Pläne für die nächste Zeit aus?
Robert Hellmundt: Da wir nun einen Prototypen haben, der all das kann, was wir uns vorgestellt haben, ist der nächste logische Schritt die Anschlussfinanzierung. Mit einigen VCs und potentiellen Industriepartnern sind wir bereits in Gesprächen. Das Geld soll in die weitere Entwicklung bis zur Produktionsreife, die Zulassung und den Marktstart fließen.
Da wir durch unser Patent schutzrechtlich abgesichert sind und unsere technische Lösung keineswegs leicht zu kopieren ist, gehen wir jetzt aktiv an die Öffentlichkeit,um potentielle Geldgeber und strategische Partner auf uns aufmerksam zu machen.
Fabien Bustaus und seine Kollegen wussten sich trotz knapper Ressourcen durch Erfindungsreichtum stets zu helfen und entwickelten den Prototypen in einem provisorisch eingerichtetem Labor.
Was fehlt euch noch für die Umsetzung eurer Idee?
Robert Hellmundt: Wenn die Finanzierung des Produktionsanlaufs gesichert ist, wird der eigentliche Marktzugang entscheidend sein. Hier sind wir dabei, ein Kontaktnetzwerk zu Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen und der Industrie aufzubauen. Im Krankenhaus gehören dazu z.B. Hygienefachkräfte, hygienebeauftragte Fachärzte, Chefärzte und ärztliche Leiter. Das Tolle ist, dass jeder aus dieser Gruppe ein persönliches Interesse an einer Lösung zur besseren Qualitätssicherung hat – denn wenn Hygienemängel auftreten, kann das auf diese Personen zurückfallen. Führt ein Produkt zu einer vorbildlicheren Händehygiene, ist das also ein ganz wesentliches Kaufargument. Viele Unternehmen spekulieren auch darauf, sich durch die Verwendung unseres Desinfektionsmittels als Vorreiter für vorbildliche Hygiene positionieren zu können. Das ist in vielen Branchen ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil. In Krankenhäusern und Pflegeheimen könnte unser Produkt sich z.B. sehr positiv auf die Patientenakquise auswirken.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr lesen? Bilderstrecke am Ende der Seite!
Auf der grünen Welle: nachhaltige Surfboards (Folge 2)
Himmelspfade: Der Bauhaus.Walk (Folge 3)
Kampf den Keimen: Der Erfolg liegt auf der Hand (Folge 4)
Dabei richtet sich das neudeli Fellowship an Studierende, Absolventinnen und Absolventen, Promovierende sowie wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Fachbereiche der Bauhaus-Universität Weimar.
Die neudeli Fellows erhalten neben einem Sachmittelbudget eine fachliche Begleitung durch verschiedene Expertinnen und Experten sowie für sechs Monate einen Arbeitsraum in der Gründerwerkstatt neudeli mit Zugang zum KreativLab im Haus (Fotostudio, 3D-Drucker usw.).
Hier gibt es alle Informationen zum neudeli Fellowship.
Unsere Themenseite zur Start-up-Finanzierung gibt den Überblick.
Das Problem sind nicht die Keime. Das Problem ist die Händehygiene. Im Krankenhausalltag kann die zu kurz kommen – mit schwerwiegenden Folgen. Die Kommunikationsdesigner Robert Hellmundt und Alexander Döpel, neudeli Fellows der ersten Stunde, haben für dieses Problem eine erstaunlich einfache und einleuchtende Lösung gefunden: ein kurzzeitig färbendes Desinfektionsmittel.Das könnte zum Standard im Kampf gegen Krankenhauskeime werden. Was dahinter steckt – oder vielmehr darin – erzählt Robert Hellmundt im Interview.
Wir trafen Robert Hellmundt in einem kleinen Café in Jena, um mit ihm über sein Start-up-Projekt Heyfair zu sprechen.
Wer seid ihr und was macht ihr?
Robert Hellmundt: Wir arbeiten an neuen Hygienelösungen für professionelle Arbeitsbereiche. Infektionen im Krankenhaus oder auch Kontaminationen in der Lebensmittelproduktion haben für die Betroffenen häufig folgenschwere Konsequenzen. Die regelmäßige Händedesinfektion ist die effektivste Einzelmaßnahme um dem vorzubeugen. Bisher gibt es im Bereich der Händehygiene jedoch selbst bei geschultem Personal gravierende Anwendungsprobleme. Unsere Erfindung, ein temporär sichtbares Händedesinfektionsmittel, unterstützt die Anwender bei der korrekten Durchführung der Desinfektion. Dadurch wird es möglich, auf einfache Art und Weise sehr hohe Hygienestandards zu etablieren.
Unser interdisziplinäres Gründerteam besteht derzeit aus fünf Personen. Fabien Bustaus, Robert Nißler und Holger Wondraczek sind als Chemiker für die technologische Entwicklung verantwortlich, Alexander Döpel arbeitet gemeinsam mit mir am gesamten Marketing. Ich bin außerdem als Geschäftsführer und Leiter der Produktentwicklung eingesetzt. Zum Erreichen der Produktionsreife wird letztere Position aber zukünftig Holger Wondraczek übernehmen. Er hat selbst bereits erfolgreich gegründet und kennt sich aus im Aufbau von Produktionslinien, im Qualitätsmanagement und Zulassungsverfahren.
Was ist die Idee?
Robert Hellmundt: Es gibt bei Desinfektionsmitteln zwei grundlegende Probleme. Das eine ist die Gründlichkeit. In gut 50 Prozent der Fälle macht auch geschultes Personal Fehler bei der Anwendung; es treten zum Beispiel Benetzungslücken auf. Vor allem an den Fingerspitzen kommt das häufig vor. Das zweite Problem ist, dass immer noch zu wenig desinfiziert wird. Das liegt oft an einem verhaltenspsychologisches Problem: Anders als beim Waschen schmutziger Hände sieht man den Erfolg bei der Verwendung herkömmlicher Desinfektionsmittel nicht. Das schadet der Motivation und darunter leidet schließlich die Akzeptanz. So bleiben riesige Präventionspotentiale ungenutzt: Im Krankenhaus haben wir deutschlandweit jährlich mindestens 500.000 Infektionen; tausende davon enden tödlich. Viele dieser Fälle wären durch bessere Händehygiene vermeidbar.
Zur Lösung der Probleme bei der Händedesinfektion haben wir ein temporär sichtbares Desinfektionsmittel erfunden. Dieses färbt die Haut sehr deutlich ein. Man sieht sofort, ob das Mittel gründlich verteilt wurde. Nach spätestens drei Minuten ist die Färbung dann wieder verschwunden. Der Infektionsschutz wird somit sichtbar. Das ist gut für die Motivation; der Anwender sieht den Erfolg seiner Bemühungen sofort. Außerdem erkennt man deutlich, wann die Hände nicht mehr steril sind: Nämlich dann, wenn die Hände nicht mehr gefärbt sind.
Ob sich jemand desinfiziert hat, ist mit unserem Produkt außerdem auch für Außenstehende sichtbar. Dadurch wird die Händedesinfektion regelmäßiger und gewissenhafter durchgeführt. Schließlich möchte niemand durch das Versäumen der Hygienemaßnahmen auffallen.
Alles in allem sorgt unser Produkt für gründlichere und regelmäßigere Händehygiene. Das sollte die Keime da draußen in Angst und Schrecken versetzen. (lacht)
Die Mission der Gründer: "Kampf den Keimen!"
Wie kamt ihr darauf, euch mit Desinfektionsmitteln zu beschäftigen?
Robert Hellmundt: Klassischerweise ersinnen Kommunikationsdesigner Werbemaßnahmen, also z.B. Plakate und Werbespots für verschiedenste Unternehmen. Alex und mir war aber schon im Studium klar, dass klassische Werbung an Bedeutung verliert. Die Konsumenten glauben der Werbung nicht mehr und schenken ihr nur wenig Beachtung. Wir haben uns viel damit beschäftigt, wie man die Kunden noch erreichen kann. Unserer Erfahrung nach klappt das am besten, wenn ein Unternehmen der Zielgruppe hilft, ein für sie relevantes Problem zu lösen. Frei nach dem Motto: Tue Gutes und rede darüber.
Alex hat das richtig verinnerlicht und stets und ständig nach Problemen und cleveren Lösungen gesucht. Vor etwa drei Jahren hatte er die Idee des eingefärbten Desinfektionsmittels. Er wollte anfangs ein Award-Projekt für eine große Werbeagentur daraus machen. Am Ende aber haben wir uns entschieden, das selbst aufzuziehen. Blauäugig wie wir damals waren… zum Glück. (lacht)
Wir haben dann über ein Jahr lang nebenbei sehr viel an diesem Projekt gearbeitet. Wir fingen praktisch von null an. Zuerst haben wir unglaublich viel gelesen und recherchiert, um das Problem genau zu verstehen und herauszufinden, wie bisher damit umgegangen wird und welche Lösungen es bereits gibt. Als uns klar wurde, wie überlegen unsere Lösung war, haben wir uns richtig reingehängt.
Wem habt ihr zuerst von der Idee erzählt?
Robert Hellmundt: Wir haben das am Anfang nur im privaten Umfeld erzählt. Das war ein schleichender Prozess, schließlich wussten wir nicht, ob sich überhaupt etwas daraus machen lässt. Es kommt ja keiner und sagt: „Das ist ein Milliarden-Euro-Projekt“. Erst als wir gesehen haben, dass unsere Erfindung wirklich sinnvoll ist und viele aktuelle Probleme lösen kann, sind wir gezielt auf potenzielle Mitstreiter und Investoren zugegangen.
Was waren bisher die größten Hürden bei der Umsetzung?
Robert Hellmundt: Es gab viele Herausforderungen, die wir bewältigen mussten. Das muss man ganz klar sagen. Wir starteten mit einer ziemlich guten Idee und unser Hintergrund als Kommunikationsexperten half uns diese richtig bewerten und positionieren zu können. Aber danach ging es darum, eine sehr komplexe chemische Entwicklung durchzuführen und ein Unternehmen aufzubauen. Also nichts, dass Alex und ich in dieser Form bereits getan hätten. Die erste Herausforderung war sicherlich die Patentanmeldung – so etwas haben wir beide noch nie formuliert. Wir hatten Glück, dass wir durch das neudeli Fellowship Unterstützung durch einen erfahrenen Patentanwalt bekommen haben. Das war extrem wertvoll für uns.
Eine weitere Hürde ist die Finanzierung. Am Anfang waren wir zu zweit; beide Kommunikationsdesigner. Uns war klar, dass wir unbedingt technische Kompetenz im Team brauchen. Man kann sich nicht mit einem möglichen Geldgeber zusammensetzen und sagen: „Es gibt zwar noch keinen Prototypen, aber das bekommen wir schon irgendwie entwickelt“. Nicht, dass wir es nicht versucht hätten. (lacht) Es stand dann recht schnell der Entschluss , uns für das EXIST-Gründerstipendium zu bewerben und das Team um talentierte Chemiker zu erweitern.
Als das klappte, war es unser Ziel, innerhalb von einem Jahr das Produkt zu entwickeln. Das war bislang auch die größte Hürde. Die wurde noch erschwert, da wir nur wenige finanzielle Mittel zur Verfügung hatten. Es war sehr oft Erfindungsreichtum gefragt; unser gesamtes Labor ist mehr oder weniger ein Provisorium.
Die Aufgabe irgendeinen Farbstoff zu entfärben ist nicht allzu kompliziert. Zumindest hatten wir recht schnell einige funktionierende Ansätze. Aber es dauerte lange, eine Lösung zu finden, die den vielen Anforderungen gerecht wurde. Das Ganze musste in einem Desinfektionsmittel für den menschlichen Gebrauch funktionieren, das außerdem nicht viel kosten sollte. Deshalb gab es viele Rückschläge und es war eine ziemlich nervenaufreibende Zeit. Aber im Februar hat es dann doch geklappt. Wir waren alle zunächst etwas ungläubig, aber als wir merkten, dass es tatsächlich funktioniert, haben wir den „In-Case-Of-Success“-Sekt geöffnet. (lacht)
Dr. Holger Wondraczek ist als neuer Entwicklungsleiter für die Entwicklung des Farbstoffs und des Desinfektionsmittels verantwortlich. Er hat bereits erfolgreich gegründet und besitzt Erfahrung im Aufbau von Produktionslinien und Qualitätsmanagement.
Welche Unterstützung habt ihr euch bisher geholt?
Robert Hellmundt: Das neudeli Fellowship hat uns den Start sehr erleichtert und war eine gute Vorbereitung für das EXIST-Gründerstipendium, das seit 1. Juni 2016 läuft. Durch das Fellowship erhielten wir nicht nur ein kleines Preisgeld und die Patentanmeldung, sondern auch ein Wirtschaftscoaching durch Ernst & Young. Dieses Mentoring war äußerst wertvoll für uns, da wir so relativ schnell lernen konnten, worauf es ankommt. Das alles war eine tolle Bestätigung und hat uns trotz der vielen Achtzig-Stunden-Wochen motiviert, am Ball zu bleiben.
Weiterhin hatten wir eine erste kleine Finanzierungsrunde mit privaten Investoren, um eine Machbarkeitsstudie zu finanzieren. Diese mussten wir durchführen, um uns überhaupt für das EXIST bewerben zu können. Die Investoren kamen aus dem Familien- und Bekanntenkreis. Wir haben aber auch bei Business-Angel-Treffen gepitcht. Einen unserer wichtigsten Investoren lernten wir durch persönliche Kontakte kennen. Er hat zu einem sehr frühen Zeitpunkt investiert und ist unglaublich gut vernetzt. Das ist natürlich ein Türöffner für uns.
Was hat euch bewogen, euch für das neudeli Fellowship zu bewerben?
Robert Hellmundt: Das Interesse zu gründen war schon vor dem Desinfektionsmittel da. Es ist ja Verschwendung die ganzen tollen Ideen für Wettbewerbe an irgendwelche Firmen zu verschenken. (lacht) Wir hatten deshalb schon im Vorfeld Kontakt zur Gründerwerkstatt neudeli und wurden so auf das Fellowship aufmerksam. Das kam auch genau zur richtigen Zeit: Bis zu 10.000 Euro Budget und eine Patentanmeldung sind für ein Gründungsprojekt in einer so frühen Phase extrem hilfreich. Deshalb haben wir uns beworben.
Wie sehen eure Pläne für die nächste Zeit aus?
Robert Hellmundt: Da wir nun einen Prototypen haben, der all das kann, was wir uns vorgestellt haben, ist der nächste logische Schritt die Anschlussfinanzierung. Mit einigen VCs und potentiellen Industriepartnern sind wir bereits in Gesprächen. Das Geld soll in die weitere Entwicklung bis zur Produktionsreife, die Zulassung und den Marktstart fließen.
Da wir durch unser Patent schutzrechtlich abgesichert sind und unsere technische Lösung keineswegs leicht zu kopieren ist, gehen wir jetzt aktiv an die Öffentlichkeit,um potentielle Geldgeber und strategische Partner auf uns aufmerksam zu machen.
Fabien Bustaus und seine Kollegen wussten sich trotz knapper Ressourcen durch Erfindungsreichtum stets zu helfen und entwickelten den Prototypen in einem provisorisch eingerichtetem Labor.
Was fehlt euch noch für die Umsetzung eurer Idee?
Robert Hellmundt: Wenn die Finanzierung des Produktionsanlaufs gesichert ist, wird der eigentliche Marktzugang entscheidend sein. Hier sind wir dabei, ein Kontaktnetzwerk zu Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen und der Industrie aufzubauen. Im Krankenhaus gehören dazu z.B. Hygienefachkräfte, hygienebeauftragte Fachärzte, Chefärzte und ärztliche Leiter. Das Tolle ist, dass jeder aus dieser Gruppe ein persönliches Interesse an einer Lösung zur besseren Qualitätssicherung hat – denn wenn Hygienemängel auftreten, kann das auf diese Personen zurückfallen. Führt ein Produkt zu einer vorbildlicheren Händehygiene, ist das also ein ganz wesentliches Kaufargument. Viele Unternehmen spekulieren auch darauf, sich durch die Verwendung unseres Desinfektionsmittels als Vorreiter für vorbildliche Hygiene positionieren zu können. Das ist in vielen Branchen ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil. In Krankenhäusern und Pflegeheimen könnte unser Produkt sich z.B. sehr positiv auf die Patientenakquise auswirken.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr lesen? Bilderstrecke am Ende der Seite!
#startupstories - alle Folgen der Serie
OPAL Postforma: Die Urne aus dem 3D-Drucker (Folge 1)Auf der grünen Welle: nachhaltige Surfboards (Folge 2)
Himmelspfade: Der Bauhaus.Walk (Folge 3)
Kampf den Keimen: Der Erfolg liegt auf der Hand (Folge 4)
Hintergrund: Das neudeli Fellowship
Das neudeli Fellowship ist ein Förderprogramm der Gründerwerkstatt neudeli der Bauhaus-Universität Weimar, das die Thüringer Aufbaubank seit 2015 begleitet. Gefördert werden aussichtsreiche Geschäftsideen, die sowohl neuartige Produkte als auch Dienstleistungen umfassen können. Ziel ist es, die frühe Phase einer Unternehmensgründung konkret zu unterstützen.Dabei richtet sich das neudeli Fellowship an Studierende, Absolventinnen und Absolventen, Promovierende sowie wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Fachbereiche der Bauhaus-Universität Weimar.
Die neudeli Fellows erhalten neben einem Sachmittelbudget eine fachliche Begleitung durch verschiedene Expertinnen und Experten sowie für sechs Monate einen Arbeitsraum in der Gründerwerkstatt neudeli mit Zugang zum KreativLab im Haus (Fotostudio, 3D-Drucker usw.).
Hier gibt es alle Informationen zum neudeli Fellowship.
Start-up-Finanzierung - das bietet die Thüringer Aufbaubank
Die Thüringer Aufbaubank bietet gemeinsam mit der bm|t beteiligungsmanagement thüringen gmbh (Tochtergesellschaft der Aufbaubank) verschiedene Modelle für Start-up-Finanzierung.Unsere Themenseite zur Start-up-Finanzierung gibt den Überblick.