Was war das konkrete Forschungsthema Ihrer Arbeit, Frau Dippmann?
Carolin Dippmann: „Ich habe mich mit Veränderungen unserer Erbinformation beschäftigt, die im Zuge einer Krebserkrankung entstehen. Wir haben als Firma einen Test entwickelt, der sechs verschiedene Marker – also bestimmte Abschnitte auf der DNA – adressiert und chemische Veränderungen nachweist, wenn Krebszellen vorhanden sind. Die Herausforderung liegt darin, dass Gebärmutterhalskrebs drei verschiedene Vorstufen hat. Diese können sich auch wieder zurückentwickeln, sodass es zu keiner Erkrankung kommt. In meiner Arbeit ging es um den Nachweis, dass diese chemischen Veränderungen, auf die unser Test reagiert, tatsächlich in den Krebszellen vorliegen. Der bisherige Weg ist, dass beim Frauenarzt ein Abstrich gemacht wird, der unter dem Mikroskop auf veränderte Zellen untersucht wird. Aber nicht jede veränderte Zelle muss gleich eine Veränderung auf DNA-Ebene mit sich ziehen. Es kann auch eine solche Vorstufe sein, die sich zurück bildet. Mit unserem Test zeigen wir: In dieser Probe liegen Krebs- oder Krebsvorläuferzellen vor, in jener nicht.“.
Herr Hansel, was war der größte Mehrwert der Arbeit von Frau Dippmann?
Alfred Hansel: „Die Fragestellung, mit der sich Frau Dippmann beschäftigt hat, wird in der Fachwelt besonders heiß diskutiert. Es war immer eine der ersten Fragen an uns: Eure komischen Marker, weist ihr die zufällig nach? Wo ist der Zusammenhang zu Krebs? Wir haben das in der Vergangenheit auf verschiedene Arten und Weisen indirekt adressiert. Caro hat sich dem nun direkt angenommen. Sie hat aus den Gewebeproben von Patientinnen Inseln von Tumorzellen entnommen und zusätzlich umliegendes Gewebe. Dann hat sie das auf tiefstem molekularen Niveau untersucht. Tiefer hineinschauen kann man praktisch nicht. Durch den Vergleich weiß man hinterher, ob die Tumorzelle nachgewiesen wurde oder einfach irgendeine andere Zelle, die sich in der Nähe befindet. Frau Dippmann wird demnächst in einer zehnseitigen Publikation in einer Fachzeitschrift schwarz auf weiß darlegen: Das sind definitiv Krebsmarker. Das ist klar der Mehrwert dieser Arbeit. Und der zweite klare Mehrwert ist, dass wir die Gelegenheit hatten, uns vier Jahre lang mit einer potenziellen Kandidatin für die Firma zu beschäftigen und dann ganz genau zu wissen, dass wir sie unbedingt weiter beschäftigen möchten.“
Frau Dippmann, woher kommt Ihre Leidenschaft für das Thema?
Carolin Dippmann: „Ich würde sagen, es ist mir ins Blut gelegt. Naturwissenschaft, dafür hatte ich schon immer eine Affinität. So hat sich mein ganzes Studium und alles danach entwickelt. Ich fand es dazu eine schöne Option, in der Heimat zu bleiben. Gut gefallen hat mir auch dieser Weg zwischen Wirtschaft und reiner Forschung. Ich war froh, mich einem Thema zu widmen, zu dem ich einen Zugang habe. Viele untersuchen Pilze oder Hefen, machen Grundlagenforschung. Hier hatte ich einen echten Bezug. Und das Zwischenmenschliche im Team hat auch gestimmt.“
Wie kamen Sie auf die Firma oncgnostics als Partnerin?
Carolin Dippmann: “Ich habe generell vorgehabt, meinen Doktortitel zu machen und nach Stellen geschaut. Ich bin durch eine Bekannte auf die Firma oncgnostics aufmerksam geworden. Sie erfuhr in einem Vortrag von der Möglichkeit eines Stipendiums, auch in Kooperation mit der Frauenklinik. Daraufhin habe ich Kontakt zu oncgnostics aufgenommen, ohne dass direkt eine Stelle angeboten war. Wir haben uns getroffen und die Chemie hat offensichtlich gestimmt, sonst säße ich jetzt nicht hier (lacht). Die Firma ist dann auf die Thüringer Aufbaubank zugegangen wegen des Stipendiums. Ich habe letztlich im Juni 2017 angefangen und diesen Mai meine Doktorarbeit verteidigt.
Alfred Hansel: „Straight, wie der ganze Rest deiner Biografie! (lacht) Was sie sich vornimmt, wird auch durchgezogen.“
Carolin Dippmann: „Ja, ich bin sehr strukturiert und organisiert, sagen wir es mal so.“
Herr Hansel, was bringt so ein Stipendium aus Ihrer Sicht?
Alfred Hansel: „Ich habe nach der Promotion selbst 20 Jahre in der Forschung gearbeitet. Mir ist es deshalb wichtig, auch im Firmenkontext weiterhin Studenten mit aufzunehmen und auszubilden im Rahmen von Bachelorarbeiten, Masterarbeiten und Promotionen. Die Thüringer Aufbaubank bietet die schöne Möglichkeit, relativ unbürokratisch solche Promotionsstipendien zu beantragen. Das haben wir von Anfang an gern genutzt.“
Hat das Stipendium Sie weitergebacht, Frau Dippmann?
Carolin Dippmann: „Auf jeden Fall, das muss ich schon sagen. Ohne Stipendium würde es eine junge Firma vermutlich nicht machen. Es ist ja eine große finanzielle Aufwendung.“
Würden Sie es wieder so machen?
Carolin Dippmann: „Ich kenne jetzt meinen Aspekt und ich kenne andere. Ich persönlich fand es eine gute Möglichkeit. Ich habe mich voll auf meine Arbeit fokussieren können. Am Institut begleitet man ja doch Vorlesungen oder Praktika. Bei einer Arbeitsgruppe wiederum hat man mehrere Doktoranden, ist nicht so sehr Einzelkämpfer. Es hat beides Vor- und Nachteile. Man muss einfach seinen eigenen Weg sehen. Ich bin jedenfalls froh, wie alles gelaufen ist.“
Alfred Hansel: „Die Frage ist, ob man hinterher mit dieser Promotion in der akademischen Spur bleiben möchte oder ob man diese Promotion als Sprungbrett nutzt, um im nichtakademischen Umfeld zu arbeiten. Im zweiten Fall ist so ein Stipendium deutlich geeigneter. Man ist direkt in einer Firma beschäftigt, lernt sämtliche Vorgänge kennen. Ich habe beide Seiten erlebt. Ich weiß, wie chaotisch es in einem normalen Forschungslabor zugehen kann. Da führen alle ihre Laborbücher, die auch schön abgegeben werden. Aber wenn ein Jahr später jemand aus dem Kühlschrank irgendwelche Proben herauszieht, die nummeriert sind von 1 bis 12 – dann hat man manchmal keine Ahnung was da drin ist. Bei uns ist das alles dokumentiert. Sprich: Wenn eine Masterstudentin vor zwei Jahren ihr Thema beendet hat, dann sind sämtliche Versuchsaufzeichnungen dazu immer noch auf dem Server vorhanden. Das ist eine andere Arbeitsweise, sie ist deutlich strukturierter, deutlich organisierter. Es mag Labore an Uni-Instituten oder anderen Instituten geben, die ähnlich strukturiert arbeiten, aber ich habe das so nicht erlebt. Es ist also letztlich eine Typfrage, was einem besser passt.“
Was ist Ihr abschließendes Fazit nach dieser Zeit, Frau Dippmann?
Carolin Dippmann: „Es ist wichtig, seine Ziele zu verfolgen. Ja, das ist sicher ein harter Weg. Aber für mich war es gut. Ich habe mit 28 meinen Doktortitel absolviert, da bin ich schon ein bisschen stolz auf mich.“