„Mit Leidenschaft dabei“

Das #TABinterview mit Anja Kolbe-Nelde

Mithilfe von Binokular kann Anja Kolbe-Nelde prüfen, ob es eine Verbindung zwischen Wurzel und Pilz gibt.

Im Sommer 2022 haben wir Anja Kolbe-Nelde das erste Mal auf ihrer Pilzfarm in Schönewerda besucht. Wenn es nach der gelernten Bankkauffrau geht, dann ist Thüringen demnächst für Trüffel statt Bratwurst bekannt. Der Freistaat hat die idealen Böden für den Anbau des geheimnisvollen Pilzes. Wie der Edelpilz in Thüringen noch besser gedeiht und von welchen Faktoren das abhängig ist, erforscht Anja Kolbe-Nelde in einem geförderten Innovationsprojekt. Im #TABinterview spricht sie zum aktuellen Forschungsstand.

Zur Website des Thüringer Trüffelanbaus

Was ist seit Sommer 2022 passiert?

Wir haben immer noch ein Hauptziel, und zwar Trüffelweltmeister zu werden. Das hat sich nicht geändert, sondern eher noch verstärkt. Wenn man mehr Trüffel in Thüringen haben möchte, kann man natürlich mehr Plantagen anlegen. Aber was wir machen, ist der Fragestellung nachzugehen, wie wir das Trüffelwachstum so steuern, dass wir auf einem Grundstück deutlich mehr Ertrag erwirtschaften, als dies in den traditionellen Trüffelländern Italien und Frankreich der Fall ist. Dazu haben wir das LFE-Projekt ins Leben gerufen.

Wie ist der aktuelle Stand in Ihrem LFE-Projekt?

Der beste Lehrmeister ist die Natur. In diesem Innovationsprojekt geht es daher zunächst darum, Trüffelstellen in allen Landkreisen von Thüringen zu ermitteln, um den Nachweis zu erbringen, dass wir im Freistaat die idealen Bedingungen haben. Das ist der wichtigste Schritt. Im nächsten Schritt nutzen wir die natürlichen Stellen, um Anregungen für weitere Steuerungsmöglichkeiten zu finden. Zum Pilzanbau gehören mindestens 40 bis 50 Faktoren, die beeinflussen, wie sich der Trüffelpilz ausbildet und Jahr für Jahr weiterentwickelt. Dazu haben wir die natürlichen Fundstellen in hochproduktive und weniger produktive Stellen geteilt, nehmen ökologische Daten auf, ziehen Vergleiche zwischen den Flächen und erstellen Abweichungsanalysen. Darüber hinaus werden hochproduktive Stellen von der Universität Jena, unserer wissenschaftlichen Partnerin, zusätzlich auch mikrobiell erforscht. Mittlerweile haben wir gemeinsam mit der Uni einige Versuchsfelder angelegt, um verschiedene, auf Jahre ausgelegte Tests durchzuführen. Wie gesagt: Es geht dabei nicht darum herauszufinden, ob Trüffelanbau in Thüringen funktioniert. Das wissen wir. Da macht uns keiner was vor. Wie uns die Natur es stellenweise vormacht, wollen wir aus einer definierten Fläche das Meiste rausholen.

Wie gehen Sie konkret vor?

Wir bauen Trüffel nach dem „Thüringer Modell“ mit unseren Kunden so an, wie wir durch private Forschung und Erprobung ermittelten, welche die erfolgreichsten Varianten sind. In Kooperation mit den Trüffelanbauern testen wir auf den Feldern verschiedene Faktoren aus und gehen verschiedenen Fragestellungen nach: Welche Baumart wurde gepflanzt? Welche Abstände wurden eingehalten? Wo kommen die ersten Trüffel? Gibt es eine Zwischenbepflanzung? Wird bewässert oder verlässt man sich auf eine Regentrüffelernte? So können wir testen, welche Zusammenhänge es gibt. Wir tauschen uns auch regelmäßig mit Plantagenbesitzern im Ausland aus, um die verschiedenen Bedingungen miteinander zu vergleichen. Wir sammeln also extrem viele Daten, was ein erheblicher Zeitaufwand ist. Eigentlich bräuchten wir viel mehr Zeit und Personal. Jede Stelle muss regelmäßig angefahren werden, was man natürlich auch macht, wenn die Projektstunden eigentlich schon aufgebraucht sind. Man macht das Ganze schließlich nicht, um Fördermittel zu erhalten, sondern weil man mit Leidenschaft dabei ist, um die besten Bedingungen zu ermitteln. Durch das LFE-Projekt haben wir aber trotzdem die Möglichkeit uns eine gewisse Stundenzahl damit zu beschäftigen, was schön ist.

Wie lang ist das Projekt angesetzt?

Von der Trüffelbaumherstellung einschließlich der Beschaffung des Ausgangsmaterials bis zum Erreichen einer sehr guten Produktion vergehen etwa 11 Jahre. Das Förderprojekt ist - vorgegeben durch die Richtlinie - zunächst nur auf drei Jahre ausgelegt. Wir werden nun aber einen Antrag stellen, um das Projekt abschnittsweise zu verlängern. Mittlerweile haben wir Trüffel in 17 von 23 Landkreisen nachgewiesen. Unsere Ermittlungen sind bei weitem noch nicht abgeschlossen, denn wir müssen aufgrund neuester Erkenntnisse noch mehr hinterfragen und checken, welche Zusammenhänge existieren. Um das personell zu stemmen haben wir begonnen Trüffelsucher zu „Bürgerforschern“ auszubilden.

Anja Kolbe-Nelde ist die Preisträgerin des Innovationspreises 2022

Sie haben 2022 den Innovationspreis „AgraNova“ gewonnen. Wie helfen solche Preise?

Der Innovationspreis hat uns vor allem Aufmerksamkeit für den Trüffelanbau in Thüringen verschafft und den Bekanntheitsgrad erhöht. Wir hatten im Anschluss an die Preisverleihung verschiedene Anfragen zum Thema, weil das Interesse beim Publikum geweckt wurde. Durch den Preis und dem damit verbundenen öffentlichen Interesse haben wir leichter Kontakte zu verschiedenen Thüringer Behörden knüpfen können. Wir werden u.a. von der Thüringer Landgesellschaft unterstützt, die uns Termine mit Agrargenossenschaften vermittelt. Auch die Macher des Projekts „Agroforst“ luden mich zum Wissenstransfer ein. Und im „Regionalmarktplatz Erfurt“ sind wir zur Vermarktung unserer Produkte jetzt auch dabei. Alles in allem war die „AgraNova 2022“ eine gute Möglichkeit, um sich mit wichtigen Akteuren verschiedener Branchen zu vernetzen.

Mit dem Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro haben wir ein zusätzliches Grundstück für eine weitere Trüffiere gekauft, um in die Zukunft der Firma und somit in den Thüringer Trüffelanbau zu investieren.

Sie haben die Thüringer Freilandpilze GmbH gegründet. Wie lauten die Pläne für Ihre Firma?

Inzwischen sind wir acht Mitarbeiter, haben die Produktion deutlich gesteigert und nochmal vier große Gewächshäuser von einer ehemaligen Gartenbaufirma gepachtet. In Schönewerda haben wir ein älteres Wohnhaus gekauft, welches nach Renovierung als zusätzliche Betriebsstätte mit Mitarbeiterwohnungen genutzt werden soll. Ein weiteres Grundstück im Ort wurde erworben, welches zeitnah bebaut werden soll, um die Produktionsfläche zu erweitern. Darüber hinaus haben wir unser Leistungsangebot erweitert. So können Kunden schlüsselfertige Plantagen anlegen und diese durch uns betreuen lassen. Wir sind derzeit auf der Suche nach haupt- und nebenberuflichen Fachkräften für die Produktion und Mitarbeiter für den Vertrieb. Mit externer Unterstützung sind wir dabei einen Online-Shop aufzubauen. Kurse zur Trüffelsuche mit Hunden bieten wir schon seit längerem an. Nun wollen wir neben Bürgerforschern auch Erntehelfer ausbilden.

Wir bleiben dran und bedanken uns für das Gespräch!

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LFE 2014 - Förderung der Zusammenarbeit in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft in Thüringen
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