„Es hieß nie: Emma, mach du es!“

Das #TABinterview mit Emma Ehrhardt

Emma Ehrhardt hat mit 22 Jahren den Familienbetrieb übernommen.

Ob die Zahl 22 für Emma Ehrhardt eine Glückszahl ist, haben wir im #TABinterview mit der jungen Bäckermeisterin nicht gefragt. Dabei hat die Schnapszahl eine ganz besondere Bedeutung für sie: Zum 22. Geburtstag wurde ihr nämlich die Möglichkeit eröffnet, den familieneigenen Bäckereibetrieb zu übernehmen. Wann? 2022 natürlich!

Erst kürzlich hat die Bäckerei Ehrhardt in Kleinreinsdorf ihr 110-jähriges Bestehen gefeiert. Emma Ehrhardt führt den Betrieb nun in fünfter Generation. Im #TABinterview sprechen wir mit ihr über den Schritt in die Selbstständigkeit und die Bedeutung des Handwerks.

Mehr Informationen zur Unternehmensnachfolge.

Wie waren Ihre ersten Tage als Geschäftsführerin?

Das Gefühl war ganz anders. Ich muss ehrlich sagen, dass ich in der Backstube zuvor eigentlich schon das Zepter in der Hand hatte. Frisch aus dem Meisterkurs und der Ausbildung hatte ich so viele Ideen und wollte einfach viel bewegen. Trotzdem ist das Gefühl jetzt anders, zu wissen, dass es das eigene Geld in der Kasse ist und man in seinem eignen Laden steht.

Ein Blick zurück: Wie lief denn Ihre Ausbildung ab?

Meine Ausbildung habe ich 2015 begonnen, aber nicht in unserem Familienbetrieb, sondern in der Bäckerei Bauer in Gera. Ich wollte einfach nochmal was anderes sehen und habe dort von der Pike auf alles gelernt. Nach meiner dreijährigen Ausbildung hätte ich gerne auch nochmal woanders reingeschnuppert, zum Beispiel in einer größeren Bäckerei oder einer Konditorei. Aber 2018 habe ich ein kleines Schwesterchen bekommen, sodass meine Mutter in das Babyjahr gegangen ist und schnell klar war, dass ich in den Elternbetrieb zurückkehre.

Wie ging es dann weiter?

Das Timing war perfekt und ich habe die Rückkehr nie bereut. Nachdem ich zwei Jahre in der Bäckerei gearbeitet habe, begann ich 2019 meinen Meister in Zeulenroda. Ich habe in Teilzeit angefangen, also immer freitags und samstags. Früh stand ich noch in der Backstube und mittags bin ich zum Lehrgang gefahren, der meistens bis in die späten Abendstunden ging. So habe ich den betriebswirtschaftlichen Teil und den Ausbildungsschein absolviert. Die weiteren Teile zu Fachtechnologie und -praxis habe ich anschließend in Vollzeit in der Akademie des deutschen Bäckerhandwerkes in Dresden gemacht. Das ging fünf Monate und war wirklich eine tolle Zeit.

Wann sind Sie als Geschäftsführerin in die Bäckerei eingestiegen?

Während der Meisterprüfung zu meinem 22. Geburtstag hat mir meine Mutter zwei Boxen überreicht. In beiden Boxen befand sich je ein Schlüssel. In der ersten Box war der Schlüssel für die Bäckerei, um zu fragen, ob ich den Betrieb übernehmen möchte. Der zweite Schlüssel passte in die Hintertür der Bäckerei, falls die Übernahme doch nicht mein Herzenswunsch ist. So wollte mir meine Mutter den Druck nehmen, denn es hieß nie „Emma, mach du es!“ Es war nie ein Muss, dass ich den Familienbetrieb übernehme.

Was war Ihr erster Impuls?

Ich habe die erste Box genommen und gesagt: „Ja, liebend gern!“

Emma Ehrhardt hat mit 22 Jahren den Familienbetrieb übernommen.

Während der Meisterprüfung zu meinem 22. Geburtstag hat mir meine Mutter zwei Boxen überreicht. In beiden Boxen befand sich je ein Schlüssel. In der ersten Box war der Schlüssel für die Bäckerei, um zu fragen, ob ich den Betrieb übernehmen möchte. Der zweite Schlüssel passte in die Hintertür der Bäckerei, falls die Übernahme doch nicht mein Herzenswunsch ist.

– Emma Ehrhardt
Der Familienbetrieb in Kleinreinsdorf existiert bereits in der fünften Generation.

Wie ist die Nachfolge abgelaufen?

Im Mai 2021 hat mich meine Mutter gefragt, ob ich das Geschäft ab 2022 übernehmen möchte. Ich habe keinen Moment gezögert, sondern direkt überlegt, wohin ich mit dem neuen Laden gehen möchte. Diese Entscheidung hat sich etwas gezogen, denn es steckt ja doch viel Geld dahinter. Aber eigentlich war ich mir sicher, dass ich investieren möchte, um mir meinen Traumladen zu bauen. Der Laden war auch schon 35 Jahre alt und hatte noch die Fliesen vom Uropa. Mit dem Umbau wurde es zu meinem Laden mit meinen Kunden, die ich ab jetzt zufriedenstellen will. Ich habe mich also zu Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten informiert. Dann ging alles ganz schnell: Wir hatten den kompletten Januar wegen Umbauarbeiten geschlossen und im Februar 2022 haben wir neu eröffnet.

Welche Förderung kam für Sie in Frage?

Die Handwerkskammer war für mich wirklich ein wichtiger Baustein und eine große Hilfe. Hier habe ich mich informiert, welche Fördermöglichkeiten es gibt. So wurde ich auf die Meistergründungsprämie aufmerksam. Ich habe aber nicht nur die Prämie in Anspruch genommen, sondern auch das Programm „Thüringen Invest“. Die Anträge habe ich online bei der Thüringer Aufbaubank ausgefüllt. Die Antragstellung war recht einfach, auch wenn es eine sehr stressige Zeit war, da die Übernahme ja erst im Mai feststand. Die ersten Arbeiten hatten schon begonnen bis der Antrag bewilligt wurde. Das war eine spannende Zeit, aber letztendlich hat alles wunderbar geklappt.

Worin haben Sie investiert?

Ich habe u.a. in ein neues Kassensystem investiert. Die „alte“ Kasse war zwar erst anderthalb Jahre alt, aber vom Finanzamt gibt es immer wieder neue Vorschriften, also habe ich direkt eine neue und größere Kasse installiert, die mit allem verbunden ist und die nächsten Jahre genutzt werden kann. Mit Thüringen Invest konnte ich so 40 Prozent meiner Investitionen decken, die restlichen 60 Prozent muss ich erwirtschaften. Daher habe ich mich auch über die Meistergründungsprämie für die Übernahme eines Handwerksunternehmen sehr gefreut. Auch dieses Geld fließt in den Betrieb.

Was war Ihnen bei der Betriebsübernahme besonders wichtig?

Es ist wahnsinnig viel wert, wenn man jemanden an seiner Seite hat, der weiß wie es geht. Ich finde es gut, dass man nicht mehr bis zur Rente oder noch länger arbeitet – egal ob Bäcker oder Schmied – und dann erst alles abgibt. Diesen nahtlosen Übergang finde ich viel besser. Es fängt bei der Buchführung an. Wie viele Semmeln backe ich jeden Tag? Was für Kuchensorten biete ich an? Welche Kniffe gibt es und wie ist der Arbeitsablauf gewesen? Diese Fragen kann ich nun meiner Mutter stellen. Vor ein paar Jahren haben hier sogar noch drei Generationen in der Backstube gestanden. Mein Opa hat nämlich noch mit angepackt. Meine Mutter hätte das Geschäft natürlich auch noch bis zur Rente gemacht, aber so freut sie sich umso mehr, dass sie es abgeben konnte. Auch das ganze Dorf ist froh, dass die Bäckerei im Ort weitergeht und ein Nachfolger gefunden ist.

Haben Sie Ratschläge für potenzielle Nachfolger*innen?

Sich Zeit nehmen und keinen Druck machen. Das finde ich ganz wichtig. Es muss nicht von Anfang an alles top laufen und stehen. Natürlich muss der organisatorische Plan mit Finanzierung und Co. sitzen, aber alles kann man nicht durchplanen. Als im Januar die Bagger hier standen, kam ich auch kurz ins Grübeln, ob es die richtige Entscheidung war. Aber wenn es der Herzenswunsch ist, muss man sich eigentlich keine Gedanken machen.

Wie wichtig war Ihnen die Beratung?

Die Beratung ist wahnsinnig viel wert. Das würde ich auch potenziellen Nachfolgern immer raten: Ihr müsst euch informieren! Es gibt tolle Fördermöglichkeiten und Leute, die helfen – egal ob finanziell oder organisatorisch. Man kann nicht alles alleine machen. Wir sind Bäcker und keine Unternehmensberater.

Was sind denn Ihre Visionen für die Zukunft?

Ein Wunsch von mir ist ein eigenes Café. Auch hinter dem Thema „Ausbildung“ steht ein großes Ausrufezeichen. Ich möchte jungen Menschen zeigen, dass dieses Handwerk nicht anstrengend ist und man „nur“ früh aufstehen muss. Man kann vor allem schöne Sachen mit tollen Rohstoffen machen. Das will ich vermitteln. Dazu gehören natürlich auch zufriedene Kunden. Das wünsche ich mir, denn unsere Bäckerei gibt es jetzt seit 110 Jahren. Wir waren nie kleiner oder größer als ein Fünf-Mann-Betrieb. Wir hatten nie Lieferwagen oder Filialen und das soll auch so bleiben. Meine Vision ist nicht höher, schneller, weiter. Es soll bleiben, wie es ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

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