Zum #TABinterview sind wir mit Dr. Marc Lehmann verabredet. Der promovierte Biologe hat sich von einer wissenschaftlichen Laufbahn recht zügig für eine Managementfunktion im Unternehmen entschieden. Seit 2015 ist er Geschäftsführer der SmartDyeLivery - die mit ihrer Technologie als „Spediteure“ im Körper agieren. Was das genau bedeutet und warum die Finanzierung über Fördermittel und Risikokapital die ideale Kombination im Lifescience-Bereich ist, erklärt Dr. Marc Lehmann im #TABinterview.
Zur Website der SmartDyeLiveryIch wollte unbedingt etwas studieren, womit ich Menschen konkret helfen kann. Nun ist natürlich eine universitäre Laufbahn eher von Wissensgewinn geprägt. Das ist auch in Ordnung, aber ich wollte einen Schritt weiter gehen. Die Mikrobiologie hat mir hier viele Möglichkeiten eröffnet. Infektionskrankheiten gibt es schon immer und seit mehreren Jahrzenten steigen sie wieder an. Das liegt daran, dass die Bevölkerung immer älter wird und medizinische Eingriffe immer schwerwiegender werden. Genau hier spielen mikrobiologische Fragestellungen eine große Rolle. Das war für mich die Chance zu sagen: Wenn man auf der Suche nach einer Lösung für Infektionsprobleme, Diagnostik und Therapien ist, dann ist das mein Gebiet. Ich habe deshalb in den Fächern Mikrobiologie und Molekularbiologie promoviert. Inzwischen bin ich aber seit rund 15 Jahren eher in Management-Positionen tätig
Das Start-up SmartDyeLivery wurde 2014 unter anderem von einem Gesellschafter gegründet, den ich bereits lange kannte. Als er mich fragte, ob ich einsteigen möchte, habe ich erst einmal abgelehnt, weil ich noch in einem anderen Unternehmen beschäftigt war. Zum Glück ist er hartnäckig geblieben, daher bin ich 2015 zu SmartDyelivery gewechselt. Heute bin ich sehr froh über diese Entscheidung.
Der Standort Jena bringt für uns viele wichtige Punkte zusammen. Die anzuwendende Technologie, die Polymerchemie, ist in Jena ganz stark vertreten. Unser Mitgründer Prof. Dr. Ulrich Schubert ist einer der besten Materialwissenschaftler weltweit und sozusagen eine Institution in Jena und weit darüber hinaus. Prof. Dr. Michael Bauer, ebenso Mitgründer, ist Chef der Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum. Das bedeutet, dass wir eine Therapie entwickeln, die später an seinen Patienten angewendet werden sollen. Wer wüsste es also besser, wie die Therapie aussehen sollte?
In aller erster Linie entwickeln wir eine Plattform, die es ermöglichen soll, Wirkstoffe in Nanopartikel zu verpacken. Diese Nanopartikel möchten wir in ihren Eigenschaften so verändern, dass sie den Wirkstoff nur an die Stelle im Körper transportieren, wo dieser auch wirklich hin soll. Wenn ein Mensch zum Beispiel Kopfschmerzen hat, dann nimmt er eine Schmerztablette, die sich im Magen auflöst. Anschließend verteilt sich der Wirkstoff im ganzen Körper, obwohl der Schmerz eigentlich nur im Kopf sitzt und nicht im Fuß. Das ist bei dem Wirkstoff einer Schmerztablette überhaupt kein Problem, weil die Nebenwirkungen überschaubar sind. Es gibt aber andere Erkrankungen, die mit Wirkstoffen behandelt werden, die sich nicht im kompletten Körper verteilen sollen. Deswegen sind wir die Spediteure: Wir entwickeln selbst keine neuen Wirkstoffe, sondern transportieren diese gezielt an die richtige Stelle im Körper.
Je spezifischer ein hochwirksamer Wirkstoff – beispielsweise bei einer Krebstherapie – nur an die Stelle transportiert wird, an der er wirken soll, umso besser ist das. Im Speziellen arbeiten wir momentan an einer Entwicklung, die bei Patienten mit septischem Leberversagen helfen soll. Bei einer Sepsis handelt es sich um einen lebensbedrohlichen Zustand als Antwort auf eine Infektion, bei der der Körper nicht in der Lage ist, die Infektion am Ausgangspunkt einzugrenzen und die Antwort des Körpers die eigenen Gewebe und Organe, etwa die Leber, schädigt. Wenn man zum Beispiel in den berüchtigten rostigen Nagel tritt, kann es passieren, dass Erreger eindringen und diese fatale Kaskade im Körper auslösen. Für das septische Leberversagen gibt es keine spezifische Therapie. Wir nutzen also unsere Technologieplattform, um den Wirkstoff direkt in die betroffenen Zellen der Leber zu transportieren, um diesen Patienten das Leben zu retten.
Die Thüringer Aufbaubank ist eine wichtige Partnerin für uns, denn wir bauen aktuell auf zwei Bausteinen auf: In erster Linie setzen wir auf Risikokapital, das auch die TAB-Beteiligungstochter bm|t ins Spiel bringt. Gleichzeitig nutzen wir aber auch Förderprogramme, wie die FTI-Richtlinie oder die GRW, um Investitionen tätigen zu können. In der ersten Phase würde es ohne Risikokapital und alleine mit Förderung nicht funktionieren, da wir bei Fördermitteln immer auch einen Eigenanteil leisten müssen. Aber ohne Förderung geht es auch nicht, denn Investoren schauen genau hin, ob ein Unternehmen durch Fördermittel unterstützt wird. Ich glaube, dieses Zusammenspiel aus TAB und bm|t ist eine ganz große Stärke von Thüringen. Es greift ineinander und war für uns letztlich der Garant dafür, dass wir überhaupt starten konnten.
Gut ist der Dreiklang aus Risikokapital, Fördermitteln und einem Netz von Co-Investoren, den Thüringen hier bietet. Wenn ich einen Wunsch frei habe, dann würde ich mir wünschen, dass man in der frühen Startphase nicht allzu lange bei geförderten Projekten in Vorleistung gehen müsste. Es klappt zwar am Ende immer alles sehr gut, aber offene Posten sind für Start-ups in der Frühphase immer sehr schmerzhaft.
Im Interview mit Geschäftsführer Dr. Marc Lehmann und bm|t-Investmentmanager Stefan Jahn geht es um die Frühphase der Unternehmungsgründung und worauf es beim Investment ankam.
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