Folge 5 unserer fünfteiligen Serie: Wie Thüringer Unternehmen und Initiativen durch ungewöhnliche Ideen der Corona-Krise trotzten.
Bikinifigur 2020? Für Fred Pretzel ist die trotz Corona nicht gefährdet. Auch wenn das nicht mal sein Hauptanliegen ist, denn in dem kleinen exklusiven Frauen-Fitnessstudios „Pure Woman“ in der Erfurter Innenstadt geht es nicht nur darum, seinen Körper zu stählen, es geht darum, sich in seinem Körper und mit seinem Körper wohlzufühlen. Doch auch er musste die Türen für seine „Mädels“ von einem Tag auf den nächsten schließen. Aber er öffnete ihnen eine neue.
„Für mich ist mein Studio mein Leben und meine Leidenschaft. Mit einem Schlag war alles weg. Die ersten zwei bis drei Tage konnte ich gar nicht aktiv am Leben teilnehmen. Das musste ich erstmal verarbeiten.“
Not macht aber bekanntlich erfinderisch und so suchten Fred und sein Team schnell nach Lösungen, wie er seine ausschließlich weiblichen Kundinnen trotz des geschlossenen Studios zum Sport animieren konnte. Die erste Idee waren Work-outs, die er dreimal die Woche erstellte und den Frauen online zur Verfügung stellte. Sport hinter der Mattscheibe gab es schließlich schon seit Jane Fonda oder Adi mit „Mach mit, mach‘s nach, mach‘s besser!“ Und professionelle Online-Angebote mit festen Inhalten zum Downloaden oder Streamen sind inzwischen schon ein alter Hut. Also überlegte das Team, wie man noch einen extra Bonus hinzufügen könnte. Wie sollte ein digitales Training aussehen, das die Damen auf Hochtouren bringt? Wie trotz Kontaktsperre in Kontakt bleiben? Distanzierten Sport treiben im Freien? Einzeltraining? YouTube Tutorials?
– Fred PretzelDie Mädels und Frauen kommen ja extra zu uns wegen des persönlichen Kontakts. Sie brauchen die gedankliche Brücke, dass sie sich nicht allein quälen. Der Gedanke, dass man da jetzt gemeinsam durch muss, macht es für viele einfacher.
Die große Herausforderung beim Training ist meist gar nicht das Training selbst. Die größte Hürde ist es, sich überhaupt für das Training zu motivieren und anzufangen. Gerade in Krisenzeiten, in denen man mit so vielen anderen Dingen beschäftigt ist und viel Neues auf einen einprasselt, nimmt man sich oft zu wenig Zeit für sich selbst. Genau an dieser Stelle setzte das vierköpfige Team dann auch an. Es wurde ein Online-Kursplan festgelegt und die Damenwelt konnte über eine Online-Plattform wieder gemeinsam trainieren. Die Kurse wurden live ins Wohn-, Schlaf-, Esszimmer, den Garten oder den Hobbyraum übertragen und die Teilnehmerinnen konnten allein, aber gemeinsam ihr Sportprogramm absolvieren und sich von Louisa, Lisa, Judit oder Fred persönlich motivieren lassen.
Wenn Fred von seinen „Mädels“ spricht, meint er das nicht despektierlich, sondern dann spricht aus ihm seine große Fürsorge: „Denn sie brauchen uns Trainer, sie lassen sich einfach zu leicht ablenken. Jetzt, mit den festen Zeiten, planen sie alles drum herum, um wieder schwitzen zu können.“ Es ist zwar nicht das Gleiche wie im Studio, aber es kommt schon relativ nahe heran. Auch wenn die eine oder andere sich unter der Kamera leichter wegducken kann, wenn man mal nicht so viel Lust oder Energie hat.
Und rund um den Kurs kommt es dann auch wieder zum Gespräch. Es können Fragen an die Trainer*innen gestellt werden oder es kann einfach noch etwas geplauscht werden. Der Stress, schnell wieder nach Hause zu müssen, fällt weg und so wird die Zeit, die man sonst für die Fahrt benötigt, jetzt eben kommunikativ genutzt. Rund 20 Prozent der 180 Mitgliederinnen nutzten den Service und sind dem Pure-Woman-Team sehr dankbar für ihr Engagement. Dass seine Kundinnen ihr Fitnessstudio wirklich ins Herz geschlossen haben, hat Fred Pretzel auch daran gemerkt, dass er nach der Schließung nicht nur viele positive Nachrichten bekommen hat, sondern sich etliche seiner Mädels auch bereit erklärt haben, den Mitgliedsbeitrag trotz Schließung weiterzubezahlen. Wichtig war ihnen, dass ihr Fitnessstudio irgendwie durch die Krise kommt. Für Fred Pretzel war diese Unterstützung nicht nur moralisch wichtig, sondern half seinem Studio zu überleben.
– Fred Pretzel mit Trainerin LouisaDurch die Unterstützung meiner Kundinnen und die Soforthilfe kamen wir genau bis Ende Mai und im Juni geht es ja endlich wieder los, wenn auch auf Sparflamme. Und die Krise hatte auch etwas Gutes. Wir als Team haben uns neu sortiert und sind extrem nah zusammengerückt. Auch zu unseren Mitgliedern haben wir eine engere Beziehung als vorher. Wir sind einfach füreinander da, auch wenn‘s mal schlecht läuft, und das wissen wir jetzt.
Auch in der Zeit nach Corona will das Team die Live-Kurse beibehalten und sieht darin eine Chance, dauerhaft über die räumlichen Beschränkungen des 240 m² großen Studios hinauszuwachsen und den sportbegeisterten Kundinnen eine ergänzende Möglichkeit des Trainings zur Verfügung zu stellen.