„Zehn Tage bevor ich die Firma übernommen habe, hatte ich meinen Meister in der Tasche“

Das #TABinterview mit André Schmidt

Die Unternehmensnachfolge in der Baubranche (auf dem Bild: André Schmidt, Geschäftsführer der Fima Raimar Sakautzky Baugeschäft GmbH & Co. KG)

Zum #TABinterview sind wir dieses Mal mit dem etwas anderen Nachfolger verabredet: In Gompertshausen treffen wir André Schmidt, der viele Jahre in leitender Position in der Automobilbranche gearbeitet hat. In Rekordzeit absolvierte der 38-Jährige seinen Meister im Handwerk, um im Januar 2022 das Bauunternehmen von Raimar Sakautzky zu übernehmen. Im #TABinterview sprechen wir mit André Schmidt über diesen Brückenschlag und seine Philosophie für das Handwerk.

zur Website der Raimar Sakautzky Baugeschäft GmbH & Co. KG

Von der Automobilindustrie zum Bauunternehmer. Wie kam das?

Ich habe zuletzt im Bereich „Sensorik und Human Interfaces“ in der Kfz-Branche gearbeitet. Dort habe ich Touchpads, Controller-Elemente oder Fensterheber für Automobile entwickelt. Im Unternehmen habe ich mich zum technischen Produktleiter hochgearbeitet und mit globalen Teams große Projekte für namenhafte Marken aus der Automobilindustrie betreut.

Nachfolgen im Handwerk (auf dem Bild: André Schmidt, Geschäftsführer der Fima Raimar Sakautzky Baugeschäft GmbH & Co. KG)

Meine Leidenschaft für das Bauen wurde 2018 entfacht, als wir unser Eigenheim gebaut haben. Wir haben alles zusammen mit der Familie gestemmt. Als wir fertig waren, sagte ich zu meiner Frau, dass ich Bock hätte, jetzt noch fünf weitere Häuser zu bauen. Sie hat mich für verrückt erklärt.

– André Schmidt, Geschäftsführer der Firma Raimar Sakautzky Baugeschäft GmbH & Co. KG

Aber ich war mir sicher, dass ich in ein paar Jahren mein eigenes Bauunternehmen haben würde. Sowas geht nur mit einem starken Partner an seiner Seite. Meine Frau hat mich zwar für verrückt erklärt, aber mir für diese Unternehmung immer den Rücken gestärkt.

Wie ging es dann weiter?

Bei mir im Kopf blitzten die Gedanken. Ich versuchte dann alle Ideen zu kanalisieren, um eine Brücke von meinem aktuellen Beruf zur Baubranche zu schlagen. Ich habe erst mal ein kleines Nebengewerbe aufgemacht und Baubetriebe hinsichtlich der Prozessoptimierung, Bauplanung und -koordinierung beraten – auch um für mich zu prüfen, ob ich „Baubranche“ kann. Nachdem ich die ersten Erfolge verbuchen konnte, habe ich das Rad immer größer werden lassen. Ich bin ein analytischer Typ. Da fiel es mir nicht schwer, viele Aspekte meiner neuen Berufung auszuprobieren bis sie funktionierten. Wie effizient ich in diesem Bereich sein werde, ist abhängig von meiner Produktpalette und welche Marktsituation ich vorfinde. Dann habe ich ein passendes Unternehmen gesucht.

War von Anfang an klar, dass Sie ein Unternehmen übernehmen wollen?

Eine Neugründung kam nicht in Frage, da ich nicht die notwendigen Anforderungen aus der Baubranche hatte. Ich habe über meinen Bruder erfahren, dass Herr Sakautzky eine Nachfolge sucht und mich direkt mit ihm in Verbindung gesetzt. Wir saßen knappe vier Stunden zusammen und er war begeistert, einen jungen Mann kennenzulernen, der so viel Begeisterung mitbringt. Danach musste ich auch die notwendigen Institutionen von meiner neuen Leidenschaft überzeugen. Aufgrund meiner Vita – fernab von der Baubranche – sollte das nicht ganz so einfach werden. Letztlich wäre es aber auch keine gute Idee gewesen einen bestehenden Betrieb mit 12 Mitarbeitenden auslaufen zu lassen. So konnte ich auch diese Herausforderung lösen und wurde zur Meisterprüfung für Maurer und Betonbauer zugelassen.

Wie haben Sie die Prüfungen gemeistert?

Im Juli 2021 habe ich den Meisterkurs begonnen – parallel zu meinem aktuellen Job in der Automobilbranche mit einem wöchentlichen Pensum von 60 bis 70 Arbeitsstunden. Dazu kam die Familienzeit und die Vorbereitung der Betriebsübernahme. Notwendige Abstimmungen mit meiner Steuerberaterin oder der Thüringer Aufbaubank habe ich auch in Eigenregie übernommen. Daher konnte ich die Meisterschule nur an wenigen Samstagen besuchen und habe mir das Wissen überwiegend autodidaktisch angeeignet. Außerdem habe ich die Prüfungsinhalte mit Herrn Fritz Ehrbar von der Handwerkskammer Südthüringen besprochen. Ich bin immer noch sehr begeistert, dass er sich an seinen freien Tagen für mich Zeit genommen hat.

Nach zwei Monaten habe ich erfolgreich an der Prüfung zur Fachtheorie teilgenommen. Anschließend habe ich mich auf den zweiten Teil zur Fachpraxis vorbereitet. Dieser bestand aus der Erstellung von Zeichnungen und diversen fachbezogenen Kalkulationen. Auch diese Prüfung konnte ich mit Erfolg absolvieren. Die Situationsaufgabe stellte mich nochmal vor eine Herausforderung, denn mit meinen ersten Versuchen erzielte ich im Vorfeld nicht die besten Ergebnisse. Ich musste meine Fehler analysieren und bin den Prozess Schritt für Schritt durchgegangen. Aus diesen Erkenntnissen habe ich auch die letzte Aufgabe erfolgreich bewältigt.

Die Unternehmensnachfolge in der Baubranche (auf dem Bild: André Schmidt, Geschäftsführer der Fima Raimar Sakautzky Baugeschäft GmbH & Co. KG)

Zehn Tage bevor ich den Betrieb von Raimar Sakautzky übernahm, konnte ich auch die fachliche Qualifikation zum Führen eines Maurerbetriebes abschließen.

– André Schmidt, Geschäftsführer der Firma Raimar Sakautzky Baugeschäft GmbH & Co. KG

Wie waren die ersten Tage als Geschäftsführer?

Mir war es wichtig, keine Erwartungen zu haben. Ich habe gelernt, jeder Herausforderung in meinem Leben unemotional zu begegnen und diese mit den nötigen Mitteln zu bearbeiten. In den ersten vier Wochen im Januar waren die Angestellten zu Hause, was mir ein bisschen Luft gegeben hat, um mit dem Unternehmen auf Tuchfühlung zu gehen.

Wie konnte die Thüringer Förderinfrastruktur unterstützen?

Nachdem ich den ersten Dämpfer eines Unternehmensberaters bekam, dass es in Thüringen keine signifikanten Förderung für Nachfolger im Bauhauptgewerbe gäbe, konnte mir die Handwerkskammer Südthüringen wieder eine positive Rückmeldung geben. Sie half mir sehr unkompliziert die Meistergründungsprämie in Anspruch zu nehmen.

Wie ist die Vision für die Zukunft?

Ich verspüre eine große Verbundenheit mit meiner Region und möchte in meiner Heimat etwas bewegen. Das Handwerk findet in den Schulen kaum noch statt, also würde ich gerne das Handwerk modernisieren. Ich denke an Digitalisierung, Karrierepläne, Rückführung der handwerklichen Tätigkeiten in unsere Gesellschaft durch Schulprojekte oder öffentliche Foren. Dafür möchte ich als moderner und effizienter Betrieb ein Vorbild sein.

Nachfolgen im Handwerk (auf dem Bild: André Schmidt, Geschäftsführer der Fima Raimar Sakautzky Baugeschäft GmbH & Co. KG)

Wir müssen es wieder schaffen, dass Handwerk etwas wert ist. Das geriet über die Jahre leider in Vergessenheit. Was ich sagen kann ist, dass es in wenigen Berufen so kreativ und freiheitlich zugeht wie im Handwerk. Das Unternehmen wird durch seine Mitarbeiter erst lebendig, denn ihre Ideen bestimmen unser Unternehmen.

– André Schmidt, Geschäftsführer der Firma Raimar Sakautzky Baugeschäft GmbH & Co. KG

In Zukunft muss sich auch das Berufsbild des Maurer wandeln. Wir werden sehen, dass es entweder in eine Reduzierung der Tätigkeit oder in eine Hybridisierung umschlägt, in der die gewerblichen Mitarbeiter einen höheren Autonomie-Status erlangen. Daraus ergeben sich mehr Freiheiten im Job, aber auch höhere Verdienstmöglichkeiten. Ich hoffe auf die zweite Entwicklung. Wir bestimmen zusammen welche Richtung unser Unternehmen einschlägt.

Welche Tipps haben Sie für potenzielle Nachfolger*innen?

Habt keine Erwartungen, lernt Misserfolge zu schätzen und seht Fehler als den ersten Lehrmeisten um besser zu werden. Habt keine Angst vor Herausforderungen. Habt Spaß an allem und seid interessiert. Bleibt immer hungrig.

Vielen Dank für das Gespräch!

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