„Inhalte gestalten zu dürfen, ist ein Privileg“

Das #TABinterview mit Julia Kluge

Die Künstlerin Julia Kluge hat bereits einige große Themen sowohl in überregionalen Zeitungen als auch auf lokalen Veranstaltungen mit ihren Illustrationen in Bilder übersetzt. Für unseren Geschäftsbericht 2022 erstellt sie in diesem Jahr eine Illustration zum 30-jährigem Jubiläum der TAB. Wie sie das machen wird und vor welchen Herausforderungen sie als kreativschaffende Freiberuflerin steht, lesen Sie in unserem #TABinterview.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus – falls Sie sowas wie einen Alltag überhaupt haben?

Mein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich. Ich arbeite für verschiedene Kunden und habe viele Termine, die alle gleichermaßen betreut werden müssen, daher sind feste Arbeitszeiten und gute Planung sehr wichtig: Und leider auch die eine oder andere Nachtschicht. Viele unterschiedliche Projekte gleichzeitig zu bearbeiten, kann eine Herausforderung sein, ich mag aber die Abwechslung und Vielfalt der Themen, die mein Job mit sich bringt. Die meiste Zeit verbringe ich am Schreibtisch: 50 Prozent meines Arbeitsalltags nehmen organisatorischen Aufgaben ein. Das lässt sich nicht vermeiden, ist aber natürlich auch sehr wichtig, um Geschäfte abwickeln zu können. Der andere Teil besteht dann daraus, dass ich inhaltliche Zuarbeiten von meinen Kunden erhalte und wir uns über Wünsche und Ideen austauschen. Diese Ideen halte ich in Bleistiftzeichnungen fest und schicke erste Skizzen an den Auftraggeber. Danach warte ich mit einem Heißgetränk auf die Rückmeldung, sie hoffentlich positiv ausfällt. Wenn die Skizzen dann freigegeben wurden, kann ich diese dann zu einer Reinzeichnung ausarbeiten. Das ist der schönste Teil meiner Arbeit, weil ich dann viel zeichnen und über den Einsatz von Farben oder meinen Stil in der Umsetzung nachdenken kann.

Neben dem Ausfertigen von Auftragsarbeiten als Illustratorin, bin ich außerdem als Livezeichnerin unterwegs und dokumentiere deutschlandweit Veranstaltungen mit dem Zeichenstift. Der Fachbegriff für diese Technik des schnellen Verknüpfen von Bild und Text bei Veranstaltungen, ist „Graphic Recording“. Außerdem unterrichte ich an verschiedenen Kunsthochschulen und gebe Workshops rund ums Zeichnen und Drucken, das sind immer sehr schöne Gelegenheiten meinen Arbeitsraum gegen neue Umgebungen einzutauschen.

Was sind die Vorteile an einer kreativen Selbstständigkeit? Was lieben Sie an Ihrem Beruf und was sind die nicht ganz so schönen Seiten?

Das Schöne ist die Abwechslung. Ich liebe es, mich in neue Themenwelten einzulesen und mich mit einer Vielfalt an Thematiken auseinandersetzen zu dürfen.

Auf dem Bild: Illustratorin und Künstlerin Julia Kluge

Als visuelle Künstlerin Inhalte gestalten zu dürfen, ist ein Privileg. Bilder und Medien haben einen hohen Einfluss in unserer Gesellschaft, dessen sollte man sich als Illustratorin bewusst sein und entsprechend verantwortungs- und rücksichtsvoll damit umgehen

– Julia Kluge, Illustratorin und Zeichnerin aus Leipzig

Ich reflektiere Sehgewohnheiten: Manchmal genügt es nicht, Inhalte in eine klischeehafte Darstellungen zu übersetzen, dann macht es Spaß, die Grenzen der Visualisierung zu testen und zu erweitern. Die größte Freude macht mir die Arbeit an meinen eigenen Projekten, denn da halte ich alle Fäden in der Hand und kann über das Zusammenspiel von Text, Bild und Format ganz frei selbst bestimmen, das lässt mein Künstlerherz am höchsten schlagen. 

Allerdings muss man sich diese kleinen Freiheiten auch finanzieren können und das war besonders am Anfang sehr schwierig! Es braucht ein bisschen Glück, dass sich die richtigen Türen zur richtigen Zeit öffnen. Wenn man nach dem Studium als selbstständige Kreative in den Beruf startet, hat man meist noch keine Kontakte zu Kunden und es gilt, deren Vertrauen zu gewinnen. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, aber man lernt sehr viel auf diesem Weg: über Akquise, Businessstrategien, Buchhaltung oder über Netzwerkarbeit, aber besonders viel lernt man über sich selbst. Man braucht sehr viel Durchhaltevermögen und einen unbedingten Willen an der Sache dranbleiben zu wollen.

Vor was für unternehmerische Herausforderungen steht man als freiberufliche Künstlerin?

Als ich nach dem Studium ins Berufsleben gestartet bin, war mir nicht klar, dass ein großer Teil meiner Arbeit als freischaffende Kreative um unternehmerische Prozesse kreist. Ich habe vieles im Selbststudium und im Austausch mit Kolleg*innen gelernt. Mehr oder weniger unfreiwillig wird man dann also zum Beispiel zur Steuerexpertin, aber es ist mir ja auch wichtig einen guten Überblick über die Wirtschaftlichkeit meiner Tätigkeit zu erlangen. Zum Glück gibt es mittlerweile Berufsverbände wie die Illustratorenorganisation oder Ratgeber für den Start in die Selbstständigkeit. Diese Angebote sollte man in Anspruch nehmen, damit man keine Fehler macht, die können nämlich in diesem Bereich richtig teuer werden. Die Berufsverbände informieren auch über Urheber- und Nutzungsrechte, helfen bei Rechts- und Steuerfragen und informieren über die Aufnahme in die Künstlersozialkasse: Es gibt also sehr viele Themen, über die man Bescheid wissen muss um eine Selbstständigkeit wirtschaftlich am Laufen zu halten. Die große Menge an Ab- und Ausgaben kann man natürlich nur stemmen, wenn man ein faires Honorar kalkuliert, deshalb vermittle ich diese Informationen meinen Kund*innen gern transparent.

Wenn Sie an Thüringen denken – was fällt Ihnen da als erstes ein?

Ich komme aus dem sächsischen Vogtland, was ja dem Thüringer Vogtland sehr nahe liegt. Ich bin im Prinzip wenige Kilometer entfernt von Greiz aufgewachsen. Ausflüge nach Gera ins Otto Dix Haus haben mich ebenso geprägt, wie die Ausstellungen im Satiricum in Greiz. Ich mag die Schlösser und den Park in Greiz. Außerdem gibt es in Greiz viele alte Industriebauten und schönen Stadthäuser aus der Gründerzeit. Ich freue mich immer sehr, wenn ich beruflich in Weimar oder Erfurt bin, da gibt es so viele gemütliche Cafés und eine lebendige Kultur- und Kreativszene und auch diese Städte habe viel Grün und schöne Parks. Auch eine Paddeltour auf der Saale Richtung Jena kann ich nur empfehlen. Ich glaube, Orte, in denen man schnell in der Natur ist, haben es mir einfach angetan und davon gibt es ja in Thüringen eine Menge!

Nun haben Sie ja bereits viele große Themen in Ihren Illustrationen behandelt – dieses Mal ist es eine Infografik zum Thema „30 Jahre Thüringer Aufbaubank“ – worauf kommt es bei Kunst mit regionalem Bezug an?

Die Menge an Informationen zur Thüringer Aufbaubank in ein Bild zu packen, ist eine Herausforderung. Ich werde auf die Vielfalt der Portfoliothemen mit einer Vielfalt an Figuren und naturnahen Elementen reagieren. Auch der Trend zur Nachhaltigkeit wird sich im Bild wiederfinden, die TAB hat ja bereits viele Projekte in diese Richtung unterstützt, da passt es vielleicht auch, in der Visualisierung mit Pflanzen oder tierischen Wesen zu arbeiten.

Auf dem Bild: Illustratorin und Künstlerin Julia Kluge

Es geht um Wachsen und um Bilanzen, das ist ja vom Stoff her eher etwas trocken, aber mein Illustrationsstil ist sehr lebendig und ich zeichne gerne Pflanzen und lustige Figuren: Ich glaube, dass sich das dann ganz gut verbinden lässt.

– Julia Kluge, Illustratorin und Zeichnerin aus Leipzig

Was möchten Sie mit Ihrer Kunst bei dem*der Betrachter*in bewirken?

Da passiert ganz viel auf unterschiedlichen Ebenen. Manchmal bekommt man das Feedback ja direkt und das finde ich sehr spannend. Auf der einen Seite freue ich mich darüber, wenn beim Graphic Recording jemand über eine witzige Zeichnung lachen kann. Im Allgemeinen finde ich es super, wenn meine Ideen funktionieren. Aber es kann auch mal passieren, dass ein Bild doppeldeutig gelesen wird und der Betrachter es ganz anders sieht als ich es mir gedacht hatte. Durch diese ungeplante Interpretation entsteht wieder etwas Neues, das ist doch phantastisch! Bei manchen Illustrationen ist diese Doppeldeutigkeit sogar so gewollt. In diesen Momenten merkt man, dass eben doch mehr drin steckt in der Kunst.

Vielen Dank für das Gespräch!

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