Die Firma „Healyan“ aus Barchfeld-Immelborn im Wartburgkreis arbeitet an einer ganz besonderen Brille: Von Stress bis Demenz – mit den Lichtimpulsen, die von der Brille ausgesendet werden, können verschiedene Beschwerden und Erkrankungen gelindert werden. Wie genau das funktioniert und wie man in nur einer Woche eine Firma gründet, erfolgreich einen Pitch absolviert und mit einer Forschungskooperation samt 80.000 Euro nach Hause geht, erzählen uns Mitgründer Philipp Caspari und sein Kollege Laurin Martins, zuständig für die Software der Brille, im #TABinterview.
Philipp Caspari: Man kann sich die stroboskopische Lichttherapie vorstellen wie ein Training für das Gehirn. Die Lichtimpulse erzeugen Hirnwellen in der gleichen Frequenz und jede Frequenz hat eine eigene Funktion. Bei einer hohen Frequenz wird zum Beispiel die Aufmerksamkeit gefördert und die Konzentrationsfähigkeit trainiert. Ist die Frequenz hingegen niedrig, trägt das zur Entspannung bei und dies kann sich wiederum positiv auf das Schlafverhalten auswirken. Diese Methode wird bereits seit 20 Jahren in der Psychotherapie bei der Behandlung von Depressionen und Angststörungen angewandt. In den USA wird außerdem zur Wirkung bei neurodegenerativen Erkrankungen, wie Parkinson oder Alzheimer, geforscht. Hier hilft die Stroboskop-Therapie dabei, Hirnareale zu trainieren, die von der Krankheit beschädigt wurden, und somit die Reizleitung zu verbessern. Die Studien aus den USA zeigen, dass dadurch sowohl die Motorik als auch das Gedächtnis gefördert werden. Menschen mit Gedächtnislücken, können sich teilweise sogar wieder an die Namen von Verwandten erinnern, oder daran, was sie am Morgen gegessen haben.
Philipp Caspari: Langfristig ist unser Ziel, die Ersten auf dem europäischen Markt zu sein, die eine medizinisch-technische Zulassung für die Behandlung von neurodegenerativen sowie psychischen Erkrankungen erhalten. Bis es aber so weit ist, möchten wir erst einmal über die Unterhaltungselektronik ein Bewusstsein für das Produkt schaffen. Wir möchten zeigen, dass die Brille dazu beitragen kann, den Schlaf zu verbessern, dass sie Abhilfe bei saisonalen Depressionen schaffen kann, aber auch, dass sie einfach Spaß macht. Deshalb arbeiten wir momentan daran, die Lichtimpulse mit Musik zu kombinieren, sodass man quasi ein Musikstück mit Lichtshow erleben kann. Ein Gehirn-Training mit Wow-Effekt eben.
Philipp Caspari: Kurz nachdem ich aus den USA zurück kam, Ende April 2022, haben wir erst erfahren, dass es den „get started 2gether“-Wettbewerb überhaupt gibt. Ich war gerade gelandet und hatte noch mit dem Jetlag zu kämpfen, aber dennoch war klar: Das ist eine Riesenchance für uns, die wir auf jeden Fall ergreifen sollten. Das hieß aber auch, dass wir nur eine Woche hatten, um einen Pitch vorzubereiten. Die viel größere Herausforderung war allerdings, dass wir bis zur Pitch-Veranstaltung auch noch gründen mussten. Bis dato hatten wir weder eine Geschäftsidentität noch ein offizielles Unternehmen. All das haben wir innerhalb von nur wenigen Tage geschafft und am Abend vor dem Pitch hatten wir alle notwendigen Dokumente zusammen. Ansonsten hätten wir an dem Wettbewerb gar nicht teilnehmen dürfen.
Aber auch das Pitchen war neu für mich. Wir haben viel geübt und uns den Pitch gegenseitig und unseren Familien vorgetragen. Vor dem offiziellen Pitch hatten wir sogar die Möglichkeit, unsere Idee Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee vorzustellen, da wir bei der Veranstaltung auch mit einem kleinen Stand vertreten waren. Darum war die ganz große Aufregung bis zum eigentlichen Pitch weitestgehend verflogen und es lief richtig gut für uns. Am Ende haben wir den zweiten Platz gemacht.
– Philipp CaspariDa haben wir quasi einen Raketenstart aus den Startlöchern hingelegt – von einer Idee, zu einer Firma mit 80.000 Euro Fördermitteln in nur einer Woche.
Philipp Caspari: Im Moment gestaltet sich die Zusammenarbeit so, dass wir in engem Austausch per Telefon, E-Mail und Videotelefonie stehen. Da im CiS ja hauptsächlich Elektronikspezialisten arbeiten, können sie uns vor allem in Entwicklungsfragen weiterhelfen. Zum Beispiel kann ich ihnen das Material schicken, das ich bereits entwickelt habe und sie gucken sich das noch einmal an und geben mir Feedback, was gut gelungen ist und wo noch Verbesserungsbedarf besteht. Besonders hervorheben möchte ich außerdem, die Verfügbarkeit von Ressourcen. Das CiS hat alles, was man sich als Entwickler von Elektronik- und Technikhardware vorstellen und wünschen kann. Deshalb ist es möglich, in ihren Laborräumen alles zu testen, was getestet werden muss. Im Homeoffice wäre all sowas sehr schwierig. Durch die Zusammenarbeit mit dem CiS können wir die Brille auf das nötige Qualitätsniveau für die Serienreife bringen.
Philipp Caspari: Für mein Studium war ich in Kalifornien, an der UC Berkeley, und dort habe ich dann Leon Yushin kennengelernt. Er studiert dort Wirtschaftswissenschaften und wir haben die Firma zusammen gegründet. Für alles, was Marketing, Verkaufskonzept und die Kommunikation mit Investoren betrifft, ist Herr Yushin federführend in unserem Unternehmen.
Laurin Martins: Aufgrund der Zeitverschiebung von zehn Stunden haben wir ein regelmäßiges Meeting um acht Uhr abends deutscher Zeit. In der Regel arbeiten wir aber alle sehr eigenverantwortlich. Es weiß eigentlich jeder, was seine Aufgabe ist und was die nächsten Schritte wären. Im Endeffekt ist es ein sehr angenehmes Arbeiten. Im Allgemeinen, bin ich überzeugt davon, dass die Digitalisierung so weit vorangeschritten ist, dass wir alle Tools an der Hand haben, um auch international einfach zusammenarbeiten zu können.
– Laurin MartinsAus meiner Sicht gibt es eigentlich keine Barrieren mehr, was die internationale Zusammenarbeit betrifft. Deshalb sollte man die Chance nutzen und sich bereits früh daran probieren.
Laurin Martins: Ich denke, dass sich immer Leute finden, die einen unterstützen, wenn man etwas machen will. Ich kann nicht genau sagen, ob es an Thüringen liegt, aber ich scheine in Thüringen am richtigen Ort zu sein. Ich habe hier viele Menschen gefunden, mit denen ich meine Projekte realisieren kann. Außerdem ist das Thüringen-Stipendium natürlich eine super coole Sache. Das habe ich unabhängig von meiner Arbeit bei Healyan erhalten. Davon habe ich schon vielen Leuten erzählt, weil es sich einfach lohnt, sich dafür zu bewerben. Aus meiner Sicht ist das ein riesiger Pluspunkt für Thüringen als Innovationsstandort. Wir haben hier angefangen, haben hier gegründet und haben hier viele Sachen gefunden, die gut funktionieren, wenn man gründen möchte.
Laurin Martins: Auf jeden Fall einen gesunden Hang zur Eigeninitiative – selbst etwas machen und dadurch Erfahrungen sammeln, das ist wichtig. Da ich seit 2016 aktiv an den verschiedensten Projekten beteiligt bin, konnte ich ein gutes Verständnis für den Zeitbedarf für verschiedene Aufgaben entwickeln. Wenn man weiß, wie man selbst funktioniert und darüber hinaus ein hohes Maß an Eigeninitiative beweist, ist das Gründen eigentlich nicht so kompliziert. Aber man muss natürlich die richtigen Leute kennen. Ganz klar: Hätte ich Philipp nicht kennengelernt, wäre ich heute nicht hier.
Philipp Caspari: Das kann ich nur bestätigen. Außerdem ist es aus meiner Sicht wichtig, sich am Anfang genug Zeit für Amtsgänge zu nehmen. Ich war am Anfang doch verblüfft, wieviel Zeit die Bürokratie während der Produktentwicklung in Anspruch nimmt.
Im Wettbewerb "get started 2gether" können die erfolgreichen Startups bis zu 200.000 Euro für ihr Forschungs- und Entwicklungsprojekt im Bereich innovativer Technologien erhalten. Nach erfolgreicher Bewerbung werden sie zum Wettbewerb eingeladen und haben dort die Möglichkeit, ihren Pitch zu präsentieren. Die Gewinner*innen werden durch eine Expertenjury ausgewählt und bekommen anschließend von der Thüringer Aufbaubank Unterstützung bei der Antragstellung für Fördermittel. Sobald sie den Förderbescheid erhalten, haben die Startups die Chance, ihr Projekt gemeinsam mit einer der zehn wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen in Thüringen zu beforschen und gemeinsam umzusetzen. Diese Förderung wird vom Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft bereitgestellt. Ziel ist, die neuen Produkte oder Verfahren der Startups durch die Zusammenarbeit mit den wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen auf das nächste technologische Level zu heben.